80 Jahre Kriegsende: Aufzeichnungen Gemeindearchiv Retzstadt
Quelle Text: Gemeindearchiv Retzstadt, Wolfgang Pfister
Quellen Fotos: Gemeindearchive Retzstadt & Zellingen, Buch „Retzstadt – unser Dorf in Bildern“
VOR 80 JAHREN:
„Die letzten Wochen vor dem Ende des 2. Weltkrieges in unserer Heimatgemeinde Retzstadt“
Anlässlich des Gedenkens an das Ende des 2. Weltkrieges vor genau 80 Jahren möchte die Gemeinde Retzstadt auch den nachfolgenden Generationen die damaligen Ereignisse schildern und näherbringen:
Anhand von Unterlagen aus dem Gemeindearchiv wollen wir die Ereignisse der letzten Wochen und Tage vor dem Ende des 2. Weltkrieges in unserer Heimatgemeinde ein wenig aufzeigen. Der nachfolgende Text stammt fast ausschließlich aus der Feder des damaligen Gemeindesekretärs Robert Stark, der die wichtigsten Begebenheiten aufzeichnete, um sie für uns und die nachfolgenden Generationen festzuhalten.
Februar 1945:
Während man noch vor einem Jahr die feindlichen Bomberverbände meist nur bei Nacht in großer Höhe über unser Dorf brummen hörte, und tags darauf in den Zeitungen las, welche Stadt wieder ein Opfer ihrer Angriffe gewesen war, konnte man jetzt immer wieder die Bombardements hören. Die Leute lauschten oft vor ihren Häusern in dunkler Nacht dem dumpfen Grollen der fallenden Bomben, wobei manchmal der Boden unter den Füßen zitterte. Als schließlich ein Fliegerangriff auf Schweinfurt am hellen Tage erfolgte, kreisten auch feindliche Jäger bis in unsere Gemarkung herein, sodass die Leute auf dem Felde in Deckung gehen mussten.
Am 17. Februar 1945 gegen Mittag kreisten einige feindliche Jagdbomber vom Maintal über Retzstadt zum Werntal. Dabei warfen sie in der Flurabteilung Thüngersheimerpfad und Kniebrecher je eine Bombe ab. Sebastian Full, Hausnummer 126, der mit seinem Pferd am Kniebrecher ackerte, hörte das Rauschen der Bombe und warf sich platt in die Furche, während sein Pferd von Splittern getroffen tot umfiel.
Als die gleichen Flugzeuge das Dorf überflogen, warfen diese zwei leeren Reservetanks ab. Während der eine am Schäferspfad, oberhalb der Thüngener Straße niederging und so keinen Schaden verursachte, fiel der andere auf das Wohnhaus des Landwirts und Schuhmachers Karl Krieger, Rhöngasse Nr. 25, durchschlug das Dach und richtete allerhand Schaden an. Um die gleiche Zeit warf ein von deutschen Jägern verfolgtes feindliches Bomberflugzeug in der Flurabteilung Geiersberg drei schwere Bomben ab. Zwei davon detonierten und hinterließen große Trichter, während die dritte Bombe ein Blindgänger war, welcher tief in den Boden drang. Das hinterlassene Loch war so groß, daß ein Jauchefaß hindurch rutschen konnte (Die Bombe wurde 1952 von einem Sprengkommando wieder entfernt).
Ja, langsam merkte man nun auch in Retzstadt, daß die Front näher rückte, daß wir Fronthinterland geworden waren. Lauschte man abends in die Nacht hinaus, so konnte man ganz deutlich den Geschützdonner der Westfront vernehmen.
Eine Frage, die alle bewegte und die man jetzt täglich diskutieren hörte war: „Wird Würzburg von den Bombern verschont oder wird es auch wie die anderen großen Städte dem Erdboden gleichgemacht?“ Dabei sagten die einen: „Würzburg steht unter dem Schutz der Muttergottes, diese wird solches Leid über die Stadt niemals zulassen.“ Andere sagten: „Würzburg ist Lazarettstadt, in welcher viele tausend schwerverwunderter Soldaten gepflegt und geheilt werden, außerdem ist keine nennenswerte Industrie vorhanden; es besteht also für den Feind absolut keine Veranlassung Würzburg zu bombardieren.“
Da fielen eines Tages die ersten Bomben auf Würzburg. Es waren nur einige, aber so mancher Würzburger sah darin eine Warnung und brachte wenigstens einen Teil seiner Habe bei Verwandten auf den umliegenden Dörfern unter.
Dann kam der Abend des 16. März 1945. Im Rundfunk hörte man bereits, daß wiederum ein großer Bomberverband aus England ins Reichsgebiet eingeflogen war. Die Leute saßen beklommen an ihren Rundfunkgeräten und verfolgten den Weg des Bomberverbandes nach den Angaben des Ansagers. Da hörte man plötzlich die Stimme des Ansagers im Rundfunk: „Der Verband hat sich geteilt. Der eine Teil fliegt gegen Nürnberg, der andere Teil Richtung Würzburg“. Sofort wurden die Würzburger über den Rundfunk aufgefordert, die Luftschutzräume aufzusuchen und es wurde Luftalarm gegeben. Es dauerte auch nicht lange, so sah man bei uns schon in Richtung Würzburg den Horizont hell erleuchtet. Dies kam von den Leuchtschirmen, mit welchen die Stadt von den feindlichen Führungsmaschinen abgesteckt und beleuchtet wurde und wodurch die nachfolgenden Bomber ihr Ziel ausmachen konnten. Schon sah man auch die Explosionen, welche den Himmel blitzartig erhellten und man hörte, Detonationen.
Die Leute standen bei uns vor ihren Häusern und beobachteten das grausame Schauspiel. Endlich waren nur noch einzelne Detonationen zu hören, doch der Horizont in Richtung Würzburg war vom Feuer der brennenden Stadt blutig rot erhellt.
Kurz darauf wurden alle Männer, eine in Retzstadt stationierte Nachschubeinheit (die sog. „Katzenkompanie“, weil sie als Divisionszeichen einen Katzenkopf auf ihren Fahrzeugen hatte) und die hier arbeitenden französischen Kriegsgefangenen und polnische Zivilarbeiter zum Katastropheneinsatz nach Würzburg aufgerufen. Die Kompanie übernahm mit ihren Fahrzeugen den Transport der Leute.
Doch als sie noch während der Nacht nach Würzburg kamen, war es ihnen nicht möglich in die an allen Ecken und Enden brennende Stadt vorzudringen. Und so mussten sie, ohne helfen zu können, wieder umkehren. Erst gegen Mittag des 17. März fuhren sie erneut dorthin um retten zu helfen, was aus dieser fast völlig zerstörten Stadt noch zu retten war.
Die vielen durch die Zerstörung der Stadt obdachlos gewordenen Einwohner suchten, sobald sie über das Schicksal ihrer Angehörigen Bescheid wussten, in den umliegenden Dörfern Obdach. Zu Fuß mit irgendeinem Bündel ihrer geretteten Habe kamen so manche an. Und es war nicht leicht eine Unterkunft für diese so schwer heimgesuchten Menschen zu finden, denn es befanden sich um diese Zeit fast 500 Evakuierte und Flüchtlinge aus allen Teilen Deutschlands bereits in unserer Gemeinde Retzstadt.
Als dann in der zweiten Hälfte des Monats März der Feind immer näher rückte, beschloss der damalige Ortspfarrer Pius Werner die Feier der ersten heiligen Kommunion auf Ostern vorzuverlegen, da er sehr berechtigt annahm, die Wirrnisse könnten bis zum eigentlichen Weißen Sonntag eine Kommunionfeier unmöglich machen.
Und so wurde mit dem auf den letzten Sonntag im März fallenden Osterfeiertag der Weiße Sonntag verbunden.
Kaum war an diesem Tage der Hauptgottesdienst beendet, da zogen große Kolonnen russischer Kriegsgefangener von Westen kommend durch unser Dorf. Wo sie um ein Brot oder sonst etwas baten, wurde ihnen bereitwillig gereicht. Zu Übergriffen kam es nicht.
Bereits am Nachmittag kamen versprengte deutsche Soldaten und berichteten, in der Nähe von Eisingen und Roßbrunn seien die ersten amerikanischen Vorhuten aufgetaucht.
Da die Ortsbewohner Plünderungen durch die durchziehenden feindlichen Truppen befürchteten, gruben diese in der gleichen Nacht ihre Vorräte an Fleisch, Mehl, Eiern, sowie an Kleidungsstücken in die Erde ein.
Am darauffolgenden Tage wurde dem seinerzeitigen ersten Bürgermeister Ferdinand Hebig bekannt, daß am Bahnhof Retzbach ein Güterzug stand, der nicht mehr weiterkommen konnte und dem je ein Waggon mit Hemden- und Bettbezugsstoffen, sowie Reis angehängt war. Bürgermeister Hebig fuhr an den Bahnhof und vereinbarte mit der dortigen Bahnhofsverwaltung und dem zuständigen Offizier einer Militäreinheit, daß ein Teil der Stoffe und des Reises vom Bahnhof nach Retzstadt verlagert werde.
Noch während der Nacht wurden 5 Leiterwagen voll Stoffe und fast 150 Zentner Reis vom Bahnhof Retzbach abgeholt. Die Stoffe wurden zum Teil bei der Witwe Maria Sauer, Hausnummer 38 1/5 und zum Teil im rechten Nebenzimmer des Gemeindehauses Nr. 44 gelagert und später an die Bevölkerung verteilt.
Des Gleichen der Reis, welcher vorab im Lagerhaus Weisensel & Adelmann untergebracht wurde.
Inzwischen war die in Retzstadt stationierte Nachschubkompanie von einer Kampfgruppe der Infanterieschule Döberitz, Berlin abgelöst worden. Dieselbe bestand aus Fahnenjunkern, welche die Aufgabe hatten, den Mainübergang an der damals gesprengten Brücke nach Zellingen und das Tal von Retzbach her zu verteidigen.
Die Dorfbewohner waren ob dieser Besatzung sehr besorgt, fürchteten sie doch, unser Dorf werde durch heftigen Widerstand von den feindlichen Batterien und Bomberverbänden zusammengeschossen.
Am 3. April 1945 bezogen amerikanische Kampfverbände in Zellingen entlang des Maines Stellung und nahmen Retzbach unter Beschuss. Zu gleicher Zeit wurde in der Wethstraße vor dem Anwesen des Landwirts Michael Döll, Hs.Nr. 85 eine Panzersperre errichtet, welche von einem feindlichen Aufklärungsflugzeug gesichtet wurde.
Gegen 17 Uhr heulten plötzlich die ersten feindlichen Granaten heran und detonierten in den Weinbergen der Wolfskehle. Dann wurde es wieder ruhig und die feindliche Artillerie, die auf einer Anhöhe vor Duttenbrunn in Stellung gegangen war, wurde offensichtlich von einem Aufklärungsflugzeug eingewiesen. Denn nach einer halben Stunde kamen einige Salven kurz aufeinander und galten der Panzersperre an der Wethstraße. Die Schüsse detonierten der Reihe nach in der Hofmauer des Anwesens von Franz Nun, Hs.Nr. 96, sowie in Scheune und Hof von Ludwig Großer, Hs.Nr. 94. Letzterem wurde dabei ein Ochse, eine Kuh, ein Schwein, ein Schaf und sechs Hühner getötet.
Zur gleichen Zeit ging auch je eine Granate vor dem Wohnhaus von Ignaz Schmitt Hs.Nr. 82 und des Emil May Hs.Nr. 83 nieder, welche beide Häuser bis auf die Mauern zum Einsturz brachten. Zum Glück befanden sich die betroffenen Bewohner in ihren Kellern, sodass Menschenleben nicht zu beklagen waren.
Mit Einbruch der Nacht kamen viele Einwohner aus Retzbach, welche sich vor dem dortigen Beschuße flüchteten und suchten hier in Retzstadt Unterschlupf. Dieselben konnten nur mit Mühe und Not in den von den Ortsbewohnern überfüllten Kellern untergebracht werden.
Nach Einbruch der Dunkelheit setzte dann das feindliche Feuer von neuem an und hielt mit kürzeren Unterbrechungen die ganze Nacht über an. Die Leute glaubten, dass bis zum Morgen das halbe Dorf in Trümmern liege, so zahlreich kamen die Granaten.
Wie groß war doch die Verwunderung, als am Morgen das Schießen aufhörte und die Leute aus ihren Kellern krochen. Von den Granaten waren die meisten ins Feld gefallen. Nur zwei fielen ins Dorf, wovon eine in den Keller von Hauptlehrer Karl Baier Hs.Nr. 7 ½ schlug, während die andere das Wohnhaus des Forstarbeiters August Eisenbacher Hs.Nr. 68 bis auf den Keller zerstörte.
In dieser Nacht vom 3. auf den 4. April fielen im Wald zwischen Retzbach und Retzstadt vier Soldaten, die im hiesigen Friedhof vom damaligen Ortspfarrer Pius Werner beerdigt wurden. Alle vier Soldaten wurden auf Veranlassung des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge am 20. Juli 1954 in den Heldenfriedhof Gemünden umgebettet.
Nachdem der 4. April ruhig verlaufen war, setzte in der Nacht zum 5. April der amerikanische Artilleriebeschuss aufs Neue ein, doch galt das Feuer mehr den in den umliegenden Anhöhen in Stellung gegangenen deutschen Kampfeinheiten.
Es fielen nur zwei Treffer ins Dorf. Davon ging einer abends in der Dämmerung in der Steiflingsgasse vor dem Hoftor des Anwesens Hs.Nr. 43 nieder. Dabei wurde das Hoftor zerstört und die äußere Fassade der umliegenden Häuser erheblich beschädigt. Ein in der Langgasse angetretener Reiterzug, der gerade im Abrücken war, kam mit dem Schrecken davon.
Die zweite Granate schlug hinter den Hochaltar der Pfarrkirche, neben dem Eingang der Türe zum Pfarrgarten ein. Diese drückte die Gartenmauer ein und beschädigte die äußere Fassade des Kirchenschiffes am Hochaltar erheblich.
Da mit dem Einrücken der amerikanischen Truppen stündlich zu rechnen war, verteilte dann gegen Mittag des 5. April Bürgermeister Hebig mit Hilfe des Gemeindesekretärs Robert Stark und der Gemeindegehilfin Rita Eisenbacher die am Bahnhof Retzbach abgeholten Stoffe an die gesamte Bevölkerung. Die Stoffe wurden ohne Bezugsscheine und ohne Bezahlung abgegeben.
In der Nacht vom 5. auf den 6. April suchten die Leute erneut in den Kellern Schutz vor dem feindlichen Artilleriebeschuss. Doch ließ dieser merklich nach. Man hörte nur vereinzelte Abschüsse. Ins Dorf fiel keine Granate mehr. Dafür mischte sich in das dumpfe Krachen der Artillerieabschüsse das Tackern der Maschinengewehre, welches aus westlicher Richtung zu hören war. Als schließlich der Morgen des 6. April hereinbrach, war zur Beruhigung der Dorfbewohner das deutsche Militär aus dem Dorfe abgerückt und kein deutscher Soldat mehr zu sehen.
Bürgermeister Hebig, dem – abgeschnitten von allen übergeordneten Behörden – die Sorge für die Ernährung der vielen Flüchtlinge und Evakuierten oblag, ließ schon am frühen Morgen, den vom Bahnhof Retzbach nach hier verlagerten Reis an die Bevölkerung ausgeben, weil er befürchtete, die anrückenden Amerikaner könnten den Reis beschlagnahmen.
Noch hatten nicht alle Familien ihren auf Gutscheine ausgegebenen Reis erhalten, als plötzlich gegen 9.30 Uhr laute Panzergeräusche hörbar wurden. Gerade des Weges kommende Leute erschraken und liefen ins nächste Haus. Bald aber säumten dichte Menschenmassen die Straßen und sahen 4 schwere amerikanische Panzer von Güntersleben her die Wethstraße hereinkommen. Den Panzern ging mit Abstand ein Stoßtrupp voraus. Ihnen folgte eine lange Kolonne Infanteristen und Fahrzeuge. Als die Panzer an den Dorfplatz kamen, hielten sie an und der Kommandeur der Kampfgruppe ließ den Bürgermeister rufen und befragte ihn, ob sich im Orte noch irgendwelche deutsche Truppen aufhielten und ob mit einer feindlichen Aktion deutscherseits zu rechnen sei. Als Bürgermeister Hebig dies verneinte, befragten sie die hier stationierten französischen Kriegsgefangenen und die polnischen Zivilarbeiter. Da diese bestätigten, dass sie von der Bevölkerung immer gut behandelt wurden und Zwischenfälle deutscherseits nicht zu befürchten seien, zog die Kampfgruppe nach Thüngen weiter. Jedoch ließ Diese ein Kommando im Ort zurück, welches vorübergehend das Gasthaus zum Löwen und das gegenüberliegende Wohnhaus des Landwirts Sebastian Full Hs.Nr. 126 mit Beschlag belegten.
Im Gegensatz zu der Besetzung der Nachbargemeinde Retzbach, wo die anrückenden amerikanischen Truppen die anwesenden wehrfähigen Männer gefangen nahmen, wonach Diese in Gefangenenlager teilweise sogar nach Frankreich verfrachtet und erst nach Jahren in ihre Heimat entlassen wurden, ist es in Retzstadt zu keinen Übergriffen gekommen. Obwohl hier keine weiße Fahne zum Zeichen der Übergabe aufgezogen wurde.
Die Bevölkerung beobachtete den Durchzug der Amerikaner reserviert und zeigte weder große Freundlichkeit noch Gehässigkeit.
Bereits am Nachmittag des Einmarschtages, dem 6. April 1945, erließ die amerikanische Besatzung mittels Anschlags einen Aufruf, wonach sich sämtliche im Ort befindlichen, in Zivil umgekleidete Soldaten zu melden hatten. Die Nichtmeldung, oder auch die Beherbergung solcher Zivilisten wurde mit der Todesstrafe bedroht.
Wenn auch die Bevölkerung ob dieser schweren Strafandrohung verängstigt war, so wurde doch kein Soldat bei der örtlichen Kommandantur gemeldet. Doch verließen diese gleich in den darauffolgenden Nächten das Dorf, um einerseits ihre Herbergsleute nicht weiter zu gefährden und auch um möglichst bald zu ihren Angehörigen heimzukommen.
Zum eigenen Schutz verhängte das Besatzungskommando gleich für die erste Nacht eine Ausgangssperre, wonach von abends 18.00 Uhr (später 19.00 Uhr) bis morgens 06.00 Uhr niemand auf die Straße durfte.
Die Bevölkerung nahm die Sperre mit Humor hin, denn die Leute wurden damit zur Verkürzung ihrer Arbeitszeit gezwungen. Als die Sperre nach etwa 8 Wochen aufgehoben wurde, wurde dies mehr bedauert als begrüßt.
Wenn auch die amerikanische Besatzung einige Jahre in Retzstadt blieb, so war doch der 2.Weltkrieg mit der Besetzung durch die Amerikaner für unser Dorf zu Ende.
Ende der Aufzeichnungen des Gemeindesekretärs Robert Stark.
Das Retzstadt in den letzten Wochen des 2.Weltkrieges mit Glück vor einer totalen Zerstörung verschont wurde, belegt ein Schreiben aus dem Jahre 1947.
Dieses Schreiben stammt vom Kompanieführer, welcher der in Retzstadt stationierten Kampfgruppe der Infanterieschule Döberitz, Berlin vorstand.
Aus dem Inhalt des Schreibens:
„… Ich gehörte einer Kampfgruppe der Infanterieschule Döberitz, Berlin an, welche von Kitzingen über Würzburg nach Karlstadt geworfen wurde, um den Übergang über den Main durch die Amerikaner zu verhindern. Ich erhielt in jenen Tagen den Auftrag das Tal von Retzbach bis Retzstadt geben jeden Widerstand zu verteidigen, um das Eindringen des Gegners und damit sein Vorwärtskommen auf dem diesseitigen Mainufer zu verhindern.
Ich erreichte Retzstadt und wurde hier mit dem hochwürdigen Herrn Pfarrer Pius Werner bekannt und fand in ihm einen Menschen, dem ich eine große Wertschätzung und Achtung entgegenbrachte. Gegen Mittag des 5. April 1945 eröffnete der Gegner aus dem Raume Bad Orb mit seiner Artillerie ein Störungsfeuer, wobei Retzstadt empfindliche Treffer erhielt.
Ich bekam einen ausdrücklichen Befehl, den Talschlauch zwischen Retzbach und Retzstadt zu verteidigen und meine Erkundigungen waren bereits angesetzt.
Allein die Initiative des hochwürdigen Herrn Pfarrers ist es zu verdanken, dass ich diesen Befehl nicht ausführte und ich am Spätnachmittag Retzbach und Retzstadt räumte und auf den Ring von Schweinfurt auswich.
Für die Geschichte von Retzstadt sei betont, dass die Person des Herrn Pfarrers Pius Werner es verhindert hat, dass Ihre Heimat wie die meinige in Schutt und Asche gelegt wurde. Wäre es zum Widerstand gekommen, dann wäre es um das herrliche Retzstadt geschehen gewesen.
…“
Bevor Pfarrer Werner dies erreichte, hatte bereits der damalige 1.Bürgermeister Ferdinand Hebig bei der Kompanie vorgesprochen und bat um ein Weiterziehen der stationierten Einheit, da ansonsten das Dorf zerstört würde.
Er schlug vor, evtl. eine Verteidigungslinie am Rande des Gramschatzer Waldes zu errichten. Ihm wurde daraufhin entgegnet: „Wir bleiben. Wenn Sie noch einmal so kommen, lassen wir sie an die Wand stellen und erschießen!“
Durch die Schilderungen zum Ende des 2. Weltkrieges kann und muss man erkennen, wie wichtig der Frieden in unserem Land ist.
Die aktuellen Krisen respektive die Kriege beispielhaft in der Ukraine, in Israel und auch immer noch in Syrien beschäftigen uns Tag für Tag. Wir selbst können in Frieden in einem wunderbaren Land leben. Dies muss uns immer wieder bewusstwerden.
In der Hoffnung, dass ein solcher Krieg nie wieder unserer Heimat widerfährt.
Für die Gemeinde Retzstadt (Archiv)
Wolfgang Pfister
Weitere Infos:
Gemeindearchiv Retzstadt: Spannendes aus der Retzstadter Geschichte – Bayern News
Video: Würzburg im Jahr 1942
Video: Bombardierung von Würzburg am 16.03.1945
Video: Würzburg nach dem 16.03.1945